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  • AutorenbildUrsula

Barda

Aktualisiert: 5. Sept. 2023



„Lange vor Christi Geburt lebten Menschen auf dieser Erde, die sich Kelten nannten. Sie waren unsere Vorfahren und ihre weisen Lehrer hießen Druiden. Wegen ihres umfassenden Wissens von der materiellen und der geistigen Welt wurden sie von vielen damals lebenden Völkern bewundert. In Anwesenheit der Druiden griffen die Kelten niemals zu den Waffen. Um den untersten Grad eines Druiden zu erreichen, musste man sich zwanzig Jahre lang individuell von einem geistigen Meister, einem Oberdruiden, unterweisen lassen. Erst dann erhielt ein erfolgreicher Adept die Einweihung und den Titel BARDE. Damit fiel ihm das moralische Recht zu, unter das Volk zu gehen und zu singen. Durch seine Lieder brachte er Licht und Wahrheit unter die Menschen und mit seinen Worten formte er Bilder, die für die Seele heilsam waren.


Die Kelten wurden wiederholt von römischen Legionen angegriffen. Die letzte Schlacht fand an einem Fluß statt. Da erblickten die Römer unter den Kriegern Frauen mit offenem Haar. Die römischen Feldherrn wussten: In Gegenwart solcher Frauen würden sie für einen Sieg über die Kelten eine sechsfache Übermacht brauchen. Warum das so war, wussten die erfahrenen Heerführer nicht und auch die Geschichtsforscher von heute haben dafür keine Erklärung. Es muss aber offenbar irgendeine besondere Bewandtnis mit diesen unbewaffneten Frauen mit offenem Haar gehabt haben.


Die Römer überfielen die Kelten mit neunfacher Übermacht. Am Schluss war nur noch eine keltische Familie übrig, die an einen Fluß gedrängt worden war. Sie hatten einen Halbkreis gebildet und wehrten sich tapfer. Hinter ihnen stillte eine junge keltische Frau ein kleines Mädchen und sang. Die junge Mutter sang ein heiteres, freudiges Lied, damit in dem Mädchen keine Furcht oder Trauer aufkäme, sondern allein lichte Bilder in ihre Seele dringen könnten. Wenn das Mädchen von der Mutterbrust abließ, trafen sich die Blicke der beiden. Die Mutter unterbrach dann ihr Lied und nannte das Mädchen jedes Mal zärtlich BARDA.


Der schützende Halbkreis war inzwischen durchbrochen worden. Zwischen den anstürmenden römischen Soldaten und der stillenden Frau stand nur noch ein einsamer junger Barde, der blutüberströmt sein Schwert zum Kampfe erhoben hatte. Er drehte sich noch einmal zu der Frau um, ihre Blicke trafen sich und sie lächelten sich an.


Der verwundete Barde konnte die Römer noch eine Weile aufhalten, sodass die Frau Zeit fand, zum Fluss herunter zu laufen, das kleine Mädchen in ein Boot zu legen und dieses vom Ufer abzustoßen.

Mit letzter Kraft warf der verblutende Barde der jungen Frau sein Schwert zu Füßen. Sie nahm es auf und kämpfte vier Stunden lang ununterbrochen mit den Legionären, um ihnen den schmalen Pfad zum Fluß zu verwehren. Die ermüdenden Legionäre lösten einander im Kampfe ab. Die römischen Feldherren verfolgten sprachlos den Kampf, es war ihnen unerklärlich, wieso die erfahrenen, starken Krieger dem Körper der Frau nicht einmal eine Schramme zufügen konnten.


Nach vier Stunden verließen die Frau die Kräfte. Ihre Lungen waren ausgetrocknet, denn die ganze Zeit über hatte sie keinen Schluck Wasser bekommen. Aus ihren zerplatzten Lippen quoll Blut hervor. Langsam sank sie in die Knie und im Fallen sandte sie dem Boot , das mit der kleinen Barda langsam stromabwärts trieb, noch ein sanftes Lächeln hinterher. Das Lächeln galt auch dem Wort selbst und dem in ihm enthaltenen Gedankenbild, welche aufgrund der Bemühung der jungen Mutter zum Nutzen der heute lebenden Menschen Jahrtausende überdauert haben.

Das Wesen des Menschen bildet nicht allein der Körper. Unermesslich Größeres und Bedeutenderes - unsichtbare Gefühle, Bestrebungen und Empfindungen - spiegeln sich nur teilweise im Materiellen wider.


Die kleine Barda wuchs zu einem Mädchen, dann zu einer erwachsenen Frau heran und sie hatte Kinder. Sie lebte auf der Erde und sang. Mit ihren Liedern schenkte sie den Menschen ausschließlich lichte Emotionen. Wie ein allheilender Strahl halfen sie, die Trübsal der Seele zu vertreiben. Aber die Mühen und Nöte des Alltags führten dazu, dass die Quelle des Strahls beinahe erlosch. Doch bei dem Versuch, zu ihr vorzudringen, scheiterten die unsichtbaren dunklen Kräfte an einem einzigen Hindernis: demjenigen, der auf dem Pfade stand.


Das Wesen des Menschen liegt nicht im Körper, Wladimir. Der verblutende Körper des Barden hatte das lichte Lächeln seiner Seele in die Ewigkeit gesandt und von dort wurde das Licht des unsichtbaren menschlichen Wesens reflektiert. Der jungen Mutter, die das Schwert hielt, brannte es in den Lungen und Blut quoll aus ihren aufgesprungenen Lippen hervor, die das lichte Lächeln des Barden erhaschten …


Und jetzt glaube mir, Wladimir und versuche mich zu verstehen. Lausche auf das Klingen des unsichtbaren Schwertes des Barden, der sich auf dem Pfad zu den Seelen seiner Nachkommen einem Angriff des Dunklen und Bösen widersetzt. …"


Wladimir Megre: Anastasia Band 2



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